12.05.2022
User Experience
Kathrin Friedrich | Head of UX Strategy & Consulting
Markus Priebs | Advanced Content Designer & UX Writer
Was glauben Sie: Wie lange braucht man, um im Online-Shop die Darstellung und Schreibweise des Produktpreises festzulegen? Oder einen passenden Text für den Platzhalter in der Suche zu definieren? 5 Minuten, 1 Stunde oder 3 Tage?
Vermutlich länger, als Sie im ersten Moment denken. Aber es lohnt sich, ausreichend Zeit in solche Aspekte von UX Writing zu investieren. Denn die Schreibweise des Preises hat direkten Einfluss auf die User Experience und damit auch den Sales. An diesem Punkt treffen UX Writing, Marketing und Interface Design aufeinander.
Und die Darstellung des Produktpreises ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen all diese Disziplinen mit Liebe zum Detail zusammenarbeiten. Häufig ist aber die bewusste Erstellung und Optimierung solcher Mikro-Texte kein eigenes Arbeitspaket, sondern wird eher stiefmütterlich behandelt. Wertvolles Potenzial wird dadurch verschenkt. Leidet auch ihr Shop still und heimlich unter UX Writing-Schwächen?
Lesen Sie in diesem Artikel,
UX Writing beschreibt die Tätigkeit, Texte zu erstellen und zu optimieren, die im User Interface digitaler Produkte wie Websites, Shops, Apps etc. angezeigt werden. Im Unterschied zum klassischen Copy Writing handelt es sich hierbei um kleine Textartefakte (sogenannte Microcopy) wie Button-Texte, Labels oder Fehlermeldungen, welche primär die Nutzer*innen durch das Interface führen und dessen Bedienung erleichtern oder erst ermöglichen. Dabei stets im Fokus: die Perspektive der User.
UX Writing bezieht sich also nicht auf die Erstellung von beispielsweise Teaser- und Produkttexten oder das Schreiben von Blogbeiträgen. Dies sind die Aufgaben von Copy Writern, die ebenfalls zum Bereich Content Strategy gehören.
UX Writer verfolgen dagegen das Ziel, ein Interface oder Produkt möglichst einfach benutzbar zu machen und durch geschicktes Erwartungsmanagement und verständliche Prozesse unnötige Klicks einzusparen. Gelingt dies, erreicht auch das Unternehmen sein Ziel, da z.B. Registrierungsprozesse oder der Check Out intuitiv nutzbar sind und damit im Endeffekt auch der Umsatz steigt. Sie erstellen Onboarding- oder Erklärtexte, optimieren Button-Labels, Call to Actions, Fehlermeldungen, Tooltips oder Überschriften und kümmern sich um die Beschriftung von UI-Elementen aller Art. Dass dies gelingt, zeigt das Zitat von Julia Enthoven. (Quelle)
„Yesterday, we changed the label of a button from “Publish” to “Export.”
Today, our daily video volume is up nearly +10%.“
Erfolgreiche Unternehmen integrieren die Rolle des UX Writers fest in ihre agilen Produktteams. So beschäftigt zum Beispiel die conversion-orientierte Website booking.com einen UX Writer auf 5 UX Designer*innen. (Quelle). Der Bedarf und das Interesse an UX Writing hat sich seit 2017 vervierfacht. Das Thema Microcopy hat sogar um 450% zugelegt. (Quelle: google Trends) UX Writer und Ihre Fähigkeiten sind gefragt, denn gerade bei Kurztexten steckt der Teufel häufig im Detail. Oder wie es der Journalist Enrique Jardiel Poncela treffend formuliert hat:
„Wenn etwas leicht zu lesen ist, war es schwer zu schreiben.”
Des Weiteren zeigen die Usability-Experten der Nielsen Norman Group (Quelle) auf, dass vor allem hoch gebildete Nutzer*innen Texte besonders effizient scannen und damit nur 20% der Texte wirklich lesen. Präzise Formulierungen und auf Lesefreundlichkeit optimierte Texte verbessern die Usability um 124%.
Woran erkennt man nun einen guten UX-Text? Vor allem daran, dass Nutzer*innen auf ihrem Weg durch Website und Shop gar nicht lang über ihn nachdenken müssen – ganz nach dem Motto „Don’t make me think!“. Dahinter stecken die drei Cs der effektiven Kommunikation: Clear, Concise, Consistent. Folgende Tipps helfen Ihnen beim Formulieren guter UX-Texte:
Wir haben über 40 unserer UX Expert*innen und Digitalen Marketing Consultants befragt und zeigen im Folgenden 12 klassische UX-Writing-Beispiele, die Standardshops von conversionstarken Vertriebsplattformen unterscheiden. Die Informationen basieren auf Studien ausgewählter E-Commerce Shops. Sie wollen die Beispiele in Ihrem Shop umsetzen? Dann nutzen Sie A/B Tests, um dies auch für Ihre Zielgruppe zu verproben.
Viele Shops sind ein sprachlicher Flickenteppich. Eher technisch klingende Fehlermeldungen sind gemischt mit Formularen, die während der User Journey mehrfach zwischen „Du“ und „Sie“ wechseln. Definieren Sie, wie Ihr Unternehmen und Ihre Marke klingen soll und personalisieren Sie Interface-Texte entsprechend der Corporate Voice.
Gestalten Sie aktiv einen ansprechenden Placeholder-Text für das Suchfeld. Verzichten Sie auf langweilige Begriffe wie „Suchen nach…“, sondern sprechen Sie die Nutzer*innen direkt in der zur Marke passenden Tonalität an. Bieten Sie während der Eingabe Zusatzinformationen an, mit welchen Formatierungen und Operatoren gearbeitet werden kann – insbesondere bei B2B. Weisen sie beispielweise daraufhin, dass nicht nur nach Schlagworten, sondern auch nach Web IDs gesucht werden kann, oder durch Eingabe von „-„ vor einem Schlagwort bestimmte Begriffe von der Suche ausgeschlossen werden sollen.
Ansprechender Placeholder-Text im Suchfeld.
(Quelle: flaconi.de)
Text im Placeholder spricht Nutzer*innen in der passenden Tonalität aktiv an.
(Quelle: asos.de)
Der Placeholder-Text liefert den hilfreichen Hinweis, dass auch nach Web IDs gesucht werden kann.
(Quelle: macys.com)
Nutzer*innen treffen Kaufentscheidungen nicht rein rational. Kleine Details in der Schreibweise, Formatierung und Anordnung beeinflussen elementar, wie attraktiv ein potenzieller Käufer den Preis wahrnimmt.
Preisnachlässe werden psychologisch als größer empfunden, wenn der Ursprungspreis und Zielpreis visuell weiter auseinander stehen. Statt rein numerischer Angaben wie „-40%“ können Formulierungen wie „Du sparst 40%“ oder „Jetzt Zugreifen und Schnäppchen sichern“ zusätzlich die Conversion steigern.
Ein aus Nutzer*innensicht wichtiges Entscheidungskriterium im E-Commerce ist die Frage, ob ein Produkt rechtzeitig lieferbar ist.
Lieferzeit ansprechend aus Kundenperspektive formuliert. (1)
(Quelle: lidl.de)
Lieferzeit ansprechend aus Kundenperspektive formuliert. (2)
(Quelle: deinfellfreund.de)
Mit dem kleinen Hinweistext werden mögliche Bedenken der Nutzer*innen frühzeitig adressiert.
(Quelle: myposter.de)
Gerade im B2C-Commerce bestellen Käufer*innen häufig mehrere Varianten und Größen eines Produkts.
Ein guter Button steht und fällt mit dem richtigen Label. Eine plumpe Beschriftung mit „Details“ oder „Hinzufügen“ verschenkt Potenzial:
Dank des angepassten Button-Labels können Fehleingaben vermieden werden.
(Quelle: aboutyou.de)
Nutzer*innen wollen schnell und einfach verstehen, ob Artikel nur noch eine begrenzte Zeit verfügbar sind.
Passende Hinweise können bei stark nachgefragten Produkten zusätzliche Impulse liefern.
(Quelle: na-kd.de)
Haben Nutzer*innen bereits ein Produkt in den Warenkorb gelegt, steigt die Chance, dass sie den Kauf abschließen. Dabei kommt es im Detail auch darauf an, wie die Nutzer*innen von hier aus weiter bis zum Abschluss geführt werden.
Starkes Aktionsfeedback lobt den Geschmack der potenziellen Käufer*innen.
(Quelle: lidl.de)
Ein Hinweis zur (temporären) Produktreservierung baut Frust ab liefert einen zusätzlichen Kaufimpuls.
(Quelle: asos.de)
Bei kaum einem Webangebot sind gründlich gestaltete und getextete Formulare für den finanziellen Erfolg so wesentlich wie im E-Commerce. Neben inklusivem Design und der Berücksichtigung von nichtbinären Anreden ist vor allem die aus Nutzersicht verständliche Betitelung von Labeln und Placeholder-Texten entscheidend.
Hilfreiche Placeholder-Texte vermeiden Fehleingaben, z.B. wenn ein bestimmtes Eingabeformat erforderlich ist.
(Quelle: dhl.de)
Tooltip reduziert Bedenken der Käufer*innen und gibt Sicherheit, was mit den Daten passiert.
Kurz vor Kaufabschluss kann jede kleine Irritation oder Ablenkung beim Nutzer*innen zum Abbruch des Kaufprozesses führen. Erfolgreiche Shops nehmen also auch hier jeden Text genau unter die Lupe.
Sie sehen: Wer sich in seinem Shop für UX Writing Zeit nimmt und die richtigen Skills an Bord hat, wird mit zufriedeneren Nutzern, geringeren Abbruch-Raten und besseren Conversions belohnt. Wenn Sie wissen wollen, wie auch Sie UX Writing erfolgreich in Ihren Shop oder Ihr Projekt integrieren können, dann schreiben Sie unseren Expert*innen.