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30.09.2021
Variantenkonfiguration
Karsten Voigt

Wie kann ich meine komplexen Produkte einfach verkaufen?

Der Vertrieb von einfachen Produkten über verschiedene digitale Kanäle ist auch im B2B-Umfeld seit vielen Jahren der Standard. Die Auswahl von unterschiedlichen Varianten eines Artikels stellt hier kein Hindernis dar. Dabei wird eine nahtlose Integration von Kunden- und Unternehmensprozessen hergestellt. Doch was ist, wenn die Produkte komplexer werden oder jedes Produkt erst auf Kundenwunsch produziert wird? Hier findet man oft klassische analoge Prozesse vor: Ein Vertriebsmitarbeiter nimmt die Wünsche des Kunden auf, konfiguriert die Produkte, ermittelt den Preis und erstellt ein Angebot. Der Kunde kann das Angebot annehmen oder diskutiert mit dem Vertrieb notwendige Anpassungen.
Für den Vertrieb ist es teilweise schwierig, die richtige Variante mit den richtigen Eigenschaften zu ermitteln. Oft sind die verschiedenen Konfigurationsmerkmale der Produkte über Jahre im ERP System gepflegt worden. Wobei kleine Modifikationen zu vollständig neuen Produkten führen können. Der Vertriebler findet hier komplexe Modelle vor, welche für die Produktionssteuerung gedacht sind und selten den wirklichen Kundenbedarf beschreiben.
Im folgenden Artikel wird ein Ansatz für die Einbindung komplexer Produkte in den digitalen Verkaufsprozess näher betrachtet.

Herausforderungen beim Verkauf komplexer Produkte

Was wäre, wenn man nun den Kunden besser in den Konfigurationsprozess einbindet und gleichzeitig dem Vertrieb die effizientere, passgenauere Erstellung von Angeboten ermöglicht? Im Kern müssen dazu die folgenden Fragestellungen beantwortet werden:

  • Wie kann die Vielzahl von möglichen Produkten und Produktvarianten optimal für den Kunden dargestellt werden?
  • Wie kann der Kunde effizient komplexe Abhängigkeiten zwischen den Produkteigenschaften erkennen und auf Konflikte hingewiesen werden?
  • Welche Eigenschaften der Produkte sind relevant für den Vertrieb oder auch die Kunden?
  • Wie kann die Losgröße 1 in einem digitalen Bestellprozess abgebildet werden?
  • Welche Möglichkeiten der Abbildung komplexer Preisprozesse bzw. Preisfindungsregeln gibt es in einem digitalen Bestellprozess?
  • Wie muss ich einen Onlinekanal gestalten, welcher primär komplexe Produkte mit geringer Bestellfrequenz anbietet?

Für die einzelnen Aspekte bieten die verschiedensten Lösungsanbieter unterschiedliche Szenarien an. Oft lassen sich die eingesetzten Produkte miteinander kombinieren.

Lösungsansatz auf Basis von SAP Technologie

Da in Deutschland sehr häufig Produkte der SAP im B2B Mittelstand im Einsatz sind, soll eine entsprechende Lösung genauer betrachtet werden. Im konkreten Projekt können dann einzelne Lösungsbausteine auch durch Dienste anderer Hersteller ersetzt werden. 

Der Ausgangspunkt ist ein ERP System, z.B. S/4HANA, von SAP. Hier sind u.a. Kunden, einfache Produkte, komplexe Produkte oder auch Preisfindungsregeln definiert. Die Konfiguration kann mit dem LO-VC, AVC (Advanced Variant Configuration) etc. realisiert sein. Dabei sind Constraints, Prozeduren, Auswahl- und Vorbedingungen für die Produkte hinterlegt. Mit diesen Daten können dann die Produkte konfiguriert und für die Produktion vorgesehen werden. Primärer Verwendungszweck der Daten ist die Produktionssteuerung und nur in seltenen Fällen die Konfiguration durch den Vertrieb.
Der erste Schritt, den Kunden hier besser einzubeziehen, ist die Bereitstellung der Daten für alternative digitale Kanäle. Die SAP hat dazu entsprechende Dienste in der SAP Business Technology Plattform (BTP) bereitgestellt. Der empfohlene Weg zum Austausch von Kunden-, Produkt- und auch Bestellinformationen erfolgt über vorgefertigte Pakete der SAP Integration Suite. Im Allgemeinen kann so relativ schnell die Anbindung eines E-Commerce-Systems mit dem ERP System gelingen. Interessanter ist die Bereitstellung von Konfigurations- und Preisfindungswissen aus dem ERP. Die grundlegenden Strukturen und Algorithmen sind hier wesentlich komplexer, als dass man mit einem einfachen Export von Daten weiterkommt. Gleichzeitig ist das ERP System nicht für die direkte Produktkonfiguration durch Kunden ausgelegt. Um dieses Problem zu lösen, stellt die SAP den Service SAP Variant Configuration and Pricing in der SAP BTP zur Verfügung. Hier werden die relevanten Daten des ERP Systems in die Cloud synchronisiert und für externe Lösungen bereitgestellt. Über eine einfache API können nun Konfigurationen und Preisfindungen ausgeführt werden. Das Speichern der eigentlichen Konfiguration findet ebenso in dem Service in der Cloud statt. Damit stehen alle relevanten Daten an einer zentralen Stelle zur Verfügung. Es ist dabei egal, ob diese nun von einem E-Commerce System oder alternative Lösungen verwendet werden. Am Ende dieser Kette kann der Nutzer in der Spartacus Oberfläche der SAP Commerce Cloud komfortabel durch die vertriebsorientierte Sicht der ERP basierten Konfiguration geführt werden.

Der Kunde muss an die Hand genommen werden

Mit dieser Basis kann dann ein geführter Kaufprozess (Guided Selling) aufgesetzt werden. Der Kunde wird über gezielte Fragen zum endgültigen Produkt hingeführt. Jede Antwort bedingt dabei neue Fragen und schränkt die mögliche Produktauswahl ein. Das folgende Beispiel zeigt exemplarisch eine mögliche Variante für einen Aufzughersteller:

Ein Hersteller von Aufzügen und Treppenliften bietet komplexe Produkte für unterschiedliche Einsatzzwecke. Diese werden meist als Projekt verkauft und haben damit eigentlich eine geringe Bestellfrequenz. Im geführten Kaufprozess werden nun einzelne Kernfragen gestellt. Je nach Beantwortung werden weitere Parameter erfasst. Ein Fahrstuhl für ein privates Bauvorhaben hat andere Eigenschaften als zum Beispiel ein Fahrstuhlprojekt für ein mehrstöckiges Krankenhaus. Neben dem Einsatzgebiet werden dann noch möglich Varianten der Türöffnung, Innenausstattung, Etagenanzahl oder auch erforderliche Nutzlast/ Personenanzahl erfasst. Im Hintergrund läuft die notwendige Konfiguration und schränkt das mögliche finale Produkt immer weiter ein. Am Ende liegt eine valide Konfiguration entsprechend der Kundenwünsche vor. Diese kann nun, sollte das Produkt ausreichend konfiguriert sein, direkt bestellt werden. In den meisten Fällen wird diese aber an den entsprechenden Vertriebsmitarbeiter gegeben. Der Vertriebsmitarbeiter prüft und erweitert nun die Konfiguration. Die initiale Aufnahme des Kundenwunsches entfällt und der Vertrieb kann sich fokussiert am Kundenwunsch ausrichten. Zusätzlich kann der Vertrieb nun die Preise für das Kundenvorhaben ermitteln und kommunizieren. Die Entscheidungshoheit für das Kundenangebot kann weiter beim Vertrieb liegen.

Das Beispiel zeigt den optimalen Ablauf einer E-Commerce Konfiguration. Im echten Alltag sind oft noch einige Hindernisse zu lösen. Zum einen muss fachlich definiert werden, was ein Kunde konfigurieren soll und was man dem Vertrieb vorbehält; oder auch wie der Kunde durch den Konfigurationsprozess geführt werden soll. Hier lohnt sich ein Blick auf die Kernfunktionen des zu verkaufenden Produkts. Oft lassen sich kritische Entscheidungsmerkmale identifizieren, welche ein Kunde zwingend definieren muss. Die Kunst besteht darin, dem Kunden viel Entscheidungsspielraum zu geben, ohne Ihn zu überfordern. Greift der Kunde am Ende doch wieder zum Telefon, ist der digitale Konfigurationsweg gescheitert. Mit einem sauber definierten Pfad im Guided Selling kann die Abfrage der Daten auch über einen Chatbot erfolgen und noch mehr Interaktivität ermöglichen.Zum anderen gibt es in der technischen Integration auch Hürden zu meistern. Während die klassischen Datenobjekte schnell ausgetauscht sind, werden noch nicht alle möglichen Konfigurationsvarianten in der BTP unterstützt. Gleichzeitig muss das ERP System einige Voraussetzungen erfüllen, um Daten in die Cloud synchronisieren zu können. Auch im E-Commerce System selbst, insbesondere in der Spartacus Oberfläche, werden oft kundenindividuelle Anpassungen benötigt.

Fazit

Mit der direkten und digitalen Einbindung des Kunden in die Konfigurationsprozesse kann der Vertrieb signifikant entlastet werden und sich stärker auf die Individualisierung von Kundenangeboten konzentrieren. Gleichzeitig erhöht man auch die Sichtbarkeit des eigenen Produktportfolios. Der Kunden kann in einer geführten Konfiguration alle für Ihn relevanten Produktvarianten erkunden, ohne dabei durch tausende von vorkonfigurierten Produkten navigieren zu müssen. Die T-Systems MMS kann hier bei der Einführung der notwendigen Prozesse und Lösungen unterstützen und die ganzheitliche Customer Experience in den Fokus rücken. Die Konfiguration komplexer Produkte muss nicht länger im ERP versteckt bleiben.
In einem weiteren Beitrag werden wir den digitalisiertem Angebotsprozess näher betrachten.

Erfahren Sie mehr im Vortrag von Karsten Voigt:


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