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29.07.2021
Customer Experience
Andreas Jungermann & Kathrin Friedrich

Ist ein B2B-Webshop im digitalen Vertrieb noch sinnvoll oder bereits überholt?

Auch im Jahre 2021 stehen B2B-Unternehmen vor der Herausforderung, den traditionellen Vertriebsprozess zu digitalisieren. In diesem Beitrag schauen wir uns einen Kunden aus der Lebensmittelindustrie genauer an. Er steht repräsentativ für viele Unternehmen, die sich den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung stellen.

Die klassische Rolle vom Außendienst im Vertrieb, in der Mitarbeiter teilweise noch analog Bestellungen aufnehmen, gilt als überholt. Und auch die Bestellung über Fax und Telefon wird gerade den Bedürfnissen der „neuen digitalen“ Generation von Entscheidern und Käufern nicht gerecht. Doch wie können Unternehmen künftig diesen Bedürfnissen gerecht werden? Anstatt einen klassischen B2B-Webshop als zusätzliche Lösung neben den bestehenden Customer Touchpoints aufzusetzen, sollten Unternehmen die Chance nutzen und größer denken: eine enge Verzahnung von Marketing, Commerce, Vertrieb und Service auf einer Customer Experience-Plattform (CX-Plattform).


Unser Kunde, ein Hersteller von Gewürzen für die Lebensmittelindustrie und den -Einzelhandel, Food Services und Gastronomie, möchte sowohl seine Kunden und Interessenten als auch das eigene Vertriebsteam stärker digital abholen.

Unser Kunde verfolgt die folgenden Ziele:

  • hohe Kundenzufriedenheit und enge Kundenbindung mit wachsender Sortimentsdurchdringung
  • Fokussierung vom Vertriebsteam auf Beziehungsmanagement, Großkunden und Neukunden
  • Aufwand für Kleinstbestellungen bzw. Anzahl der Kleinstbestellungen minimieren
  • Kunden-Lösungen unabhängig von Geschäftszeiten und Mitarbeiterverfügbarkeit anbieten – automatisiert und in Echtzeit
  • Kunden sowohl Self-Services als auch persönliche Beratung durch „digital unterstützte“ Vertriebsmitarbeiter anbieten 
  • Lösungen sind effizient, smart, convenient und skalierbar

Mit den folgenden Herausforderungen sieht sich unser Kunde konfrontiert: 

  • geringer Grad an Digitalisierung vom Vertrieb und Angst der Mitarbeiter vor Kompetenzverlust 
  • fehlende Kenntnisse in der Beratung vor Ort über tatsächlichen Bedarf von Kunden 
  • komplexe Produkte, z. B. im Hinblick auf Klassifizierungen wie Allergene, Inhaltsstoffe, Produktionsbedingungen und Lieferketten 
  • Change Management bei der Einführung von Prozessen und IT-Lösungen über verschiedene Fachbereiche * Datenqualität und Integration von IT-Lösungen in die vorhandene IT-Landschaft


Die „One Stop Experience“ für Kunden und Vertriebsteam

Fakt ist: Sowohl Kunden und als auch das Vertriebsteam sollten jederzeit schnell und unkompliziert im Sortiment recherchieren, Kundenaufgaben erledigen und Informationen einsehen und verwalten können. Die technologische Basis für diese sogenannte „One Stop Experience“ ist eine Customer Experience-Plattform. Auf dieser Plattform greifen Fachbereiche ebenso ineinander wie ihre Systeme. Unternehmen müssen sich also vom „Silo-Denken“ verabschieden, durchgängige Prozesse etablieren und Systeme & Services aus Endkundensicht synchronisieren.


Auch für den Vertrieb von unserem Kunden ist es erfolgsentscheidend, seine Kunden individuell und bedürfnisorientiert zu beraten. Eine Perspektive für seinen Vertrieb:

Alltägliche Aufgaben werden durch Prozessautomatisierung erledigt, während das Vertriebsteam den persönlichen Kundenkontakt pflegt und Beziehungen entwickelt. Die Mitarbeiter werden für diese Aufgaben weit besser über die Interessen von Leads und Bestandskunden informiert sein als bisher. Die CX-Plattform wird dem Vertriebsteam genau im richtigen Moment Erkenntnisse aus Datenanalyse, Vorhersage und intelligenter Segmentierung zur Verfügung stellen. Damit werden sie im persönlichen Kontakt proaktiv, fundiert und individuell auf Kundenbedürfnisse eingehen.

Durch Integration, Analyse, Segmentierung, Personalisierung und Automatisierung sollen die Prozesse von unserem Kunden unterstützen werden, z. B.:

Leads, die das Marketing mit Zielgruppenkampagnen auf Landingpages gesammelt hat, werden mit automatisierten Nurturing-Strecken vom Vertrieb qualifiziert. Diejenigen Leads, die die Vertriebsreife erreicht haben, erscheinen automatisch als Aufgabe beim Vertrieb und sind auch gleich anhand der automatisiert ermittelten Abschlusswahrscheinlichkeiten priorisiert.


Ihr Vertriebsteam muss die CX-Plattform lieben

Die CX-Plattform wird ein Unternehmen nur dann voranbringen, wenn die Mitarbeiter bereit sind, das neue Potenzial zu nutzen. Deshalb sollte ein Unternehmen eine CX-Plattform nicht nur für seine Kunden, sondern gleichermaßen für seine Geschäftsmodelle, Prozesse und Mitarbeiter aufbauen.

Für den Vertrieb ist die CX-Plattform nützlich, wenn sie Mitarbeiter von allgemeinen Routineaufgaben befreit und ihnen mehr Zeit und Wissen für die persönliche Pflege von Kundenbeziehungen verschafft: die Plattform als eine intelligente Kommunikationszentrale und Sales-Lösung mit 360-Grad-Kundenprofil, Scoring, crossmedialer und personalisierter Kommunikation, automatisierten Kampagnen sowie Analyse, Reporting und ROI-Auswertung. Damit der Vertrieb Kunden und Interessenten bedarfsgerecht beraten kann, erhalten Vertriebsmitarbeiter einen mobilen Zugriff in Echtzeit auf Kunden-Dashboards mit 360-Grad-Profil, Bestellhistorie, ausstehenden Bestellungen, Service-Tickets, wichtigen Notizen von anderen Teams sowie Standardaktionen für Kunden.


Unser Kunde wird seinen Kunden personalisierte Customer Touchpoints und Self-Services mit mobilen und automatisierten Optionen für Standardaktionen bereitstellen, z.B. Konto-Dashboard, wiederkehrende Bestellung, Upload der Bestellliste, erneute Bestellung vom Warenkorb, automatische Übertragung vom Warenkorb, intelligente Suche und Empfehlungen. Dem Vertriebsteam wird wiederum ein eigener Zugang zu den Services bereitgestellt, so dass sie in der Beratung und auf Kundenwunsch dynamisch agieren können, z. B. Freigabeprozesse, Produktkonfiguration, kundenindividuelle Preise und Rabattierungsmodelle.


Persönlich und effizient mit Personalisierung und Automatisierung

"Die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an den richtigen Kunden liefern." In dieser oder einer ähnlichen Form kennt man das Versprechen von zielgruppenorientierter Kommunikation. Heutige

Technologien sind so fortgeschritten, dass sie einen großen Beitrag zur Erfüllung dieses Versprechens leisten können: Für hervorragende Customer Experience wird Kommunikation personalisiert. Um dabei effizient zu sein, wird Automatisierung eingesetzt. Das Ganze ist skalierbar und 24/7 im Einsatz.

Personalisierung findet statt, wenn ein Inhalt, Angebot oder Service für ausgewählten Kunden „nützlicher“ gemacht wird. Das kann der Name vom Kunden im E-Mail-Betreff sein, aber die mehrstufige zielgerichtete Kampagnen, die auf Bestellpräferenzen, demografischen Informationen und Online-Aktivitäten basiert.


Für umfassende Personalisierungen und Automatisierung von Customer Experience plant unser Kunde den Aufbau der folgenden Fähigkeiten:

  • Bereitstellung eines zentralen Kundenkontos
  • rechtskonforme Erfassung von Kundendaten in verschiedenen Kanälen
  • Bildung von 360-Grad-Kundenprofilen
  • Segmentierung von Kunden in Zielgruppen
  • Durchführung von Analysen
  • Dynamische Gestaltung von Inhalten, Kampagnen, Angeboten und Services

Damit kann unser Kunde zum Beispiel sein Sortiment gezielt präsentieren: Einem vegetarischen Restaurant werden im digitalen Katalog und auf Bannern bestimmte vegetarische Ersatzprodukte, Aromen und Gewürzmischungen hervorgehoben. Die Auswahl und Platzierung der Produkte wird auf der Bestellhistorie vom Kunden und Informationen vom Vertriebsteam basieren. Durch eigene Angabe im Kundenkonto kann der Kunde das sichtbare Sortiment einschränken und an Umfragen zur Entwicklung „seiner“ Produkte teilnehmen.


Kundenzentrierung und Purpose-Driven Experience

Um die E-Business Plattform in allen Projektphasen nutzerzentriert zu entwickeln profitieren Unternehmen davon Kundenzentrierung und Nutzerbeteiligung im Purpose und der Digitalstrategie fest zu verankern.

Aus der Analytik der Kundenbeziehung auf Basis qualitativer und quantitativer Daten, iterativen Testmethoden wie Nutzerinterviews und Usability-Tests ergänzt um CRM-Insights ergeben sich reale kundenspezifische Anforderungen zur Übersetzung in optimal gestaltete Benutzerschnittstellen, stets gebunden an Customer Experience KPIs zur Ermittlung des Return of Invest.

Es reicht nicht aus, bei der Ausschreibung einer CX-Plattform allein die funktionalen Anforderungen zu formulieren. Aus Kunden- und Nutzersicht gilt es für Kunden als auch Mitarbeiter des Unternehmens in Vertrieb, Backoffice und Kundendienst gleichermaßen, intuitive, passgenaue Prozesse und Interaktionsmöglichkeiten zu entwickeln – und daraus die nötigen Prozesse und Schnittstellen abzuleiten.


Für unseren Beispielkunden bedeutet dies, bereits bei der Erhebung der Anforderungen an die CX-Plattform interdisziplinär Marketing, Vertrieb und Außendienst in gemeinsamen Design-Thinking-Workshops zusammenzubringen. Die Endkunden-Sicht wird zunächst durch Proto-Personas eingenommen, welche vom Koch über den Großgastronomie-Geschäftsführer, den Einkäufer im Discounter bis hin zum Mitarbeiter im produzierenden Gewerbe der Fleischindustrie reicht.


Die neue Generation von Entscheidern, Einkäufern und Team Leads ist geprägt vom Leitbild der Digital Natives. Die Gen Z ist nicht länger nur mobile first, sondern privat sogar häufig mobile only. Hohe Usability, leichtgängige Bedienkonzepte, moderne und markengerechte Gestaltung – diese Forderung wird zum Standard und Hygienefaktor auch im Business-Umfeld.

Gen Z will sich nicht länger etwas verkaufen lassen. Klassisches Advertising führt nicht zum Ziel; sie will volle Kontrolle über die Buying Journey und giert nach den dafür nötigen Informationen, hochwertigem und 24/7 vollständig verfügbarem, gut strukturiertem Content. Wichtiger denn je wird beziehungsorientierter Sales, sowohl im Sinne von glaubwürdigen Influencern und Testimonials als auch Vertriebsmitarbeitern, die spezifisch und passgenau kommunizieren – abseits vom Massenmarkt. Die CX-Plattform liefert die dafür nötige Grundlage.


Für unser Fallbeispiel bedeutet dies eine konsequente mobile first Optimierung der Portaloberfläche in stringentem Corporate Design. Standard-Templates sowie Prozesse der Sortimentsdarstellung, des Checkouts, des MyAccounts, der Warenkörbe und der Bestellhistorie sind – gestützt durch Nutzertests – zielgruppengerecht optimiert. Produktinformationen sind angereichert um Referenzen und Testimonials, welche speziell für die Zielgruppe stehen, z. B. die Verwendung der Gewürzmischungen in den Rezeptempfehlungen glaubwürdiger und reichenweitenstarker Köche. Produktinformationen aus dem PIM sind angereichert mit spezifischem Editorial Content. Die Plattform verknüpft dafür Shop-Funktionen mit CMS-Modulen, modern und seamless kombiniert im Headless-Frontend Ansatz. Passende UX- und Marketing-KPIs dienen zur Erfolgsmessung, darunter z.B. der Net Promotor Score oder der System Usability Scale.


Purpose Driven Brand Experience

Durch die Digitalisierung, Globalisierung sowie Informations- und Preistransparenz ist der Wettbewerbsdruck höher denn je. Ein differenzierendes Merkmal neben der Produktqualität und dem Preis ist damit nicht zuletzt die Marke und der Unternehmenspurpose als differenzierendes Merkmal. Gerade in der Auswahl neuer, langfristiger Partner als Lieferanten gilt es, für die Zielkunden neben der reinen Produktdarstellung den Markenkern, die USPs, das Wertversprechen und die Leistungsqualität digital zu inszenieren. Gemäß dem Plattformgedanken erfolgt diese Inszenierung nicht länger losgelöst auf isolierten Content Portalen, sondern integriert und orchestriert in die User Journeys der Plattform.

Klassische eCommerce- oder Service-Portale gilt es daher aufzuwerten durch die Übersetzung der Marke in stimmige User Interface Design-Strategien, Bildwelten und Content-Konzepte. Klassische Handlungsfelder sind daher die bewusste Aufbereitung der Unternehmensdarstellung oder auch die Nachvollziehbarkeit von Qualitätsstandards, Gütesiegeln und Produktionsprozessen. Eine reine Abbildung von Transaktions-Prozessen durch eCommerce- oder Service-Prozesse greift hier v. a. für Neukunden zu kurz – die neuen B2B-Personas aus der Gen Z und Gen Y erwarten diversifizierte Bildwelten, gendergerechte Sprache und Transparenz im Bereich Umweltschutz & Nachhaltigkeit.


Für unser Beispielunternehmen gilt es daher, die Food-Produkte glaubwürdig anzureichern, um gerade für Neukunden oder Bestandskunden im Upselling glaubwürdige Kaufanreize zu setzen: Rohwaren sind möglichst unverarbeitet, der CO2-Ausstoß wird reduziert und kompensiert. Verpackungen sind nachhaltig produziert und kompostierbar, tierische Zutaten stammen aus artgerechter Tierhaltung, rein pflanzliche Produkte sind als solche klar erkennbar, Allergene gekennzeichnet etc. Formulare und Texte sind nicht länger aus der Maskulinen Perspektive geschrieben, Bildwelten berücksichtigen Frauen und Nationalitäten gleichermaßen. Produktbroschüren werden konsequent als barrierefreie PDFs produziert.

Grundlagen für die Plattform sind hier wieder die Verschmelzung von CMS- und Shop-Inhalten, eine stringente Produktdatenpflege, die nutzerzentrierte und sortimentsspezifische Gestaltung von Produktdetailseiten auch unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit sowie die iterative und wiederkehrende Vertestung der Wirkung und Auffindbarkeit von Informationen durch Kundenbeteiligungsformate, gestützt durch quantitative Datenerhebung aus Tracking und A/B Testing.



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