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23.09.2021
Projekteinblicke
Karsten Voigt

Farbmuster einfach online bestellen – Schwan Cosmetics gewinnt Digital Champions Award

Am 07.09.2021 wurde der Digital Champions Award 2021 verliehen. Sieger in der Kategorie „Digitale Prozesse & Organisation“ wurde die von der MMS entwickelte Lösung Color Visualizer von Schwan Cosmetics. Für den Hersteller von Kosmetikprodukten im Auftrag internationaler Marken, stellt die Auswahl von Farbe den ersten Schritt in der Etablierung eines Kundenprojekts dar. Diesen Prozess galt es zu digitalisieren und damit schneller und effizienter zu machen. Das ist so gut gelungen, dass die Jury des Digital Champions Awards Schwan Cosmetics zum Sieger kürte. Die Jury lobt den Mut des Kunden, das komplexe Thema Farbe digital anzugehen und damit erfolgreich Prozesse zu optimieren.

Doch was macht die Lösung eigentlich aus, welche Erfolgsfaktoren gibt es und hat das etwas mit E-Commerce zu tun?

Die Anforderungen

Der ursprüngliche Kundenwunsch war schnell formuliert: Schwan Cosmetics möchte seinen Kunden die Möglichkeit geben, Farbmuster zu bestellen. Mit den Farbmustern entscheidet dann der Kunde, welche Endprodukte in Serie produziert werden. Auf den ersten Blick braucht man also eine Shoplösung für die Abbildung einer Produktauswahl und einen einfachen Bestellprozess. Schaut man dann genauer hinter die Anforderungen, stellt man fest, dass der Fokus komplett anders liegt. Die folgenden Kernanforderungen mussten abgedeckt werden:

  • Endkunden sind im Kosmetiksegment unterwegs und benötigen eine sehr gute Customer Experience. Klassische Oberflächen von E-Commerce-Systemen würden nicht die gehobenen Ansprüche abdecken.
  • Die Auswahl der Farbe geschieht auf Basis eines Farbwunsches. Dieser Farbwunsch wird über verschiedene Arten kommuniziert. Kunden nennen Farbcodes, Pantone oder wollen auf Grundlage eines Bildes Wunschfarben auswählen. Eine klassische Kategorienavigation macht für die Auswahl von Farben keinen Sinn.
  • Die Farbauswahl muss schnell und ohne Wartezeiten für den Nutzer möglich sein. Dabei muss der Farbwunsch mit 50.000 potenziellen Farben abgeglichen werden und die besten Treffer werden dem Kunden präsentiert. Die Farbtreffer müssen dann in Echtzeit nach verschiedensten Kriterien (Einsatzgebiet, Effekt, Textur, Verfügbarkeit, etc.) gefiltert werden.
  • Kunden arbeiten in Projekten und innerhalb eines Projekts können mehrere Farbwünsche mit mehreren ausgewählten Farben existieren. Ein Projekt stellt oft eine komplette Kosmetiklinie des Kunden dar. Im Rahmen des Projektes werden Farbmuster bestellt. Für die Bestellung werden, außer der Mengenangabe, keine weiteren Informationen benötigt.
  • Materialstamm- und Kundendaten kommen aus einem SAP System. Diese Daten müssen nahtlos in die Anwendung integriert werden.

Nach der Detailanalyse aller Kundenanforderungen wurde entschieden, dass kein klassische E-Commerce-System zum Einsatz kommen wird. Vielmehr wurde eine Lösung konzipiert, welche bekannte Standardtechnologien verwendet und dabei leistungsfähige Services der SAP Business Technology Plattform (BTP) nutzt. Über viele Designiterationen wurde eine intuitive Oberfläche geschaffen. Der Fokus liegt bei einer einfachen Bedienbarkeit und der effektiven Darstellung von Farbe. Das Anwendungsdesign darf an keiner Stelle von der zu wählenden Farbe ablenken. In einem kurzen Video sieht man gut die Funktionsweise der Lösung:


Die Technologie hinter den Kulissen

Die Anwendung selbst wurde mit Angular 2 und Spring Boot umgesetzt und läuft in der SAP BTP. Damit konnten flexibel die Kundenwünsche und das definierte Design effizient umgesetzt werden. Spannend ist die eigentliche Auswahl der Farbe. Dafür wird die In-Memory Datenbank SAP HANA in der SAP BTP verwendet. Hier können in Echtzeit die verfügbaren Farben mit dem Farbwunsch abgeglichen werden. In weniger als einer Sekunde wird auf Basis der RGB-Werte ein Algorithmus für 50.000 Datensätze ausgeführt. Im Ergebnis werden die 50 besten Farbtreffer für den Kunden ausgewählt. Das Filtern der Farbe nach Einsatzgebiet, Verfügbarkeit, etc. wird auch direkt in der SAP HANA berücksichtigt. Trotz aller initialen Bedenken kann die Farbauswahl ohne lästige Wartezeiten für den Nutzer erfolgen. Der performante Zugriff auf die Daten stellt eine Erfolgsgrundlage der Anwendung dar.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sicherheit der Lösung. Der Zugriff auf die Anwendung darf nur für registrierte Nutzer möglich sein. Dazu wird der Identity Authentication Service (IAS) der BTP verwendet. Alle externen Nutzer (Kunden, Partner) werden hier gepflegt. Die klassischen Nutzerprozesse, wie Passwort ändern oder Passwort vergessen, werden direkt unterstützt. Alle internen Nutzer sind bereits in einem Active Directory (AD) verfügbar und können Ihre Anmeldedaten einfach verwenden. Dazu werden die Nutzer über vorgefertigte Dienste mit den IAS synchronisiert. Der eigentliche Anmeldevorgang wird an das AD delegiert. Schwan Cosmetics kann so bestehende Strukturen verwenden, ohne diese mit externen Kundendaten zu verwässern.

Zusätzlich lebt die Anwendung nicht für sich allein und ist auf Daten von anderen Systemen angewiesen bzw. muss Daten an andere Lösungen liefern. Dafür kommt die SAP Integration Suite in der BTP zum Einsatz. Die Stammdaten zu den Farben oder auch Verfügbarkeitsinformationen werden aus einem On-Premise SAP ERP gelesen, in die notwendige Datenstruktur transformiert und regelmäßig in die SAP HANA importiert. Die Anwendung ist dabei so konzipiert, dass bei einem Ausfall des SAP ERP Systems, die Farbauswahl weiterhin möglich ist. Die Farbbestellung selbst wird von den vertrieblichen Ansprechpartnern der Kunden ausgeführt. Jegliche Kundeinteraktion wir in einem SalesForce CRM hinterlegt. Der Bestellwunsch wird über die Integration Suite automatisch ins Salesforce übertragen.

Was macht die Lösung erfolgreich

Die Anwendung ist für Schwan Cosmetics ein voller Erfolg gewesen, doch was macht die Anwendung eigentlich erfolgreich:

  • Menschen: als Erstes muss die Veränderung von Mitarbeitern des Unternehmens aktiv getrieben werden. Jemand im Unternehmen muss für das Thema selbst brennen. Zum einen müssen alle relevanten Stakeholder frühzeitig intensiv eingebunden werden und zum anderen darf man nie die Zielgruppen der Anwendung aus dem Blick verlieren. Ohne Mitarbeiter- und Kundenakzeptanz wird die beste Anwendung nicht zum Erfolg.
  • Einfachheit: egal wie komplex die Prozesse und Arbeitsabläufe sind, die resultierende Lösung muss einfach sein und sich intuitiv bedienen lassen. Niemand möchte lange Dokumentationen lesen und sich in einer Vielzahl von Funktionen verlieren. Gerade in der Weiterentwicklung einer Lösung sollte immer darauf geachtet werden, nicht alles zu kompliziert zu machen. Je etablierter eine Lösung ist, desto mehr Wünsche werden geäußert; aber nicht alle Wünsche sind immer sinnvoll.
  • Visuell: Daten müssen verständlich und transparent dargestellt werden. Die grundlegenden Daten des Color Visualizers liegen im SAP ERP vor, jedoch wird ein Kunde oder Vertriebsmitarbeiter mit einem Stammdatensatz im Allgemeinen nicht viel anfangen können. Die Präsentation als echte Farbe mit der Möglichkeit diese visuell zu vergleichen entspricht mehr der Arbeitsweise der Nutzer.
  • Technik: die Anwendung ist hochgradig individuell, wo dies fachlich erforderlich ist. Immer wenn aber eine Standardtechnologie oder -service verfügbar ist, wird dieser auch eingesetzt. In der gesamten Umsetzung muss die Fachlichkeit im Fokus stehen. Zum Beispiel werden für die Nutzerverwaltung und -prozesse des IAS verwendet. Die endsprechende Funktionalität muss nicht neu entwickelt werden und der gesparte Aufwand wird besser in echte Mehrwerte investiert.

Vom Minimum Viable Product (MVP) über die verschiedenen Releasestufen wurde immer wieder das Feedback von internen Mitarbeitern und auch Kunden zum Produkt eingeholt. Das Feedback fließt kontinuierlich in die Weiterentwicklung ein, so dass auch die Akzeptanz und Nutzungsfrequenz der Lösung fortlaufend gesteigert werden konnten. Zusätzlich ergaben sich neue Anwenderkreise für die Anwendung. Stand am Anfang der Kunde im Fokus, so wurde der eigene Vertrieb plötzlich zu einem Hauptnutzer der Lösung. Der Vertrieb hat nun das gesamte Farbportfolio immer dabei und kann direkt mit dem Kunden ins Gespräch kommen, ohne vorher selbst eine Auswahl von physischen Farben zusammen zu stellen.

Fazit

Mit der konsequenten Digitalisierung von Farbe können Kunden nun schneller die richtige Farbprobe in der Hand halten. Die durchschnittliche Bereitstellungszeit konnte von 12 auf einen Tag reduziert werden. Der Versand falscher Farben wurde ebenso reduziert. Der Kunde ist nun direkt in den Prozess involviert. Der effizientere Prozess ermöglicht gleichzeitig die Bedienung neuer Kundengruppen. Fokussierte man sich bisher auf große Marken, können nun auch kleinere Kunden mit geringen Stückzahlen betrachtet werden. Auch die Kosmetikbranche lebt mit immer schnelleren Produktzyklen. Schwan Cosmetics kann hier nun durch einen besseren Farbauswahlprozess leichter Schritt halten.

Nicht jedes Problem, welches nach E-Commerce aussieht, muss auch mit einer Shoptechnologie gelöst werden. Manchmal ist es sinnvoller andere Lösungen zu verwenden, oder auch eine komplette Eigenimplementierung zu realisieren. Hier hilft ein initialer unabhängiger Blick auf das Problem inklusive einer neutralen Bewertung der Anforderungen.

Eine kleine Lösung kann große Veränderung im Unternehmen initiieren.


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