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20.10.2022
E-Commerce Beratung | Technologien
Ronny Lindenau | Program Manager Process Mining

Der Gartner Magic Quadrant – Ein Blick über den Tellerrand

Bei Auto-Herstellern sind sie heiß begehrt, die jährlichen Rankings des ADAC oder Auto Motor und Sport. Kann man doch so allen zeigen: “Wir haben das bessere Auto”. Gleichzeitig lässt sich mit einem “Klassenbesten” vortrefflich werben.  

Was es für den Markt der PKWs gibt, existiert auch für die Lösungen im E-Commerce. In den letzten Jahren ist im Markt für E-Commerce Systeme so viel passiert, dass sich die Komplexität stark erhöht hat. Neben den vielen Akquisitionen der großen Software-Anbieter wie SAP, HCL, Salesforce oder Adobe, tauchen internationale Anbieter wie Oro und BigCommerce auf. Shopware reift, das totgeglaubte Intershop überzeugt mit neuen Kunden, Oxid und Sana halten sich wacker und auch Microsoft versucht es mal wieder. Eines haben alle Anbieter gemeinsam – sie wollen Unternehmen beim Online-Vertrieb unterstützen. Doch welche E-Commerce Lösungen sollte man in die engere Auswahl nehmen? Hier kommen die Analysten-Häuser wie Gartner, Forrester, IDC und Co. ins Spiel.

Grundsätzlich sollte man ein E-Commerce System in einem mehrstufigen Prozess auswählen. Gerade weiche Faktoren wie Firmensitz und Technologiebasis können die Liste möglicher Anbieter schnell reduzieren. Im Rahmen des mehrstufigen Prozesses können Reports von Analysten-Häusern, wie der “Magic Quadrant for Digital Commerce” von Gartner, eine Rolle spielen. Ebenso lassen sich Entscheidungen damit absichern. Vor allem in großen Unternehmen genießen die Analysten-Häuser in Managementkreisen ein gewisses Ansehen. Ich habe selbst schon erlebt, dass der CIO eines großen deutschen Automobilzulieferers sagte: “Wer nicht bei Gartner als Leader gelistet ist, kommt mir nicht auf die Shortlist”. Eine Auswahl nur auf Grundlage der Einordnung in einen Quadranten zu fällen, kann einen jedoch leicht auf die falsche Spur führen.

Doch wie entnehme ich die für meine Situation relevanten Informationen aus den Reports? Man könnte es sich leicht machen und gleich die Top 3, die sich in den Visualisierungen rechts oben zeigen, auswählen und fertig. Viele Unternehmen werden damit keinen schwerwiegenden Fehler machen, aber ihnen entgeht womöglich die Chance, ein System in die Evaluierung einzubeziehen, welches den Anforderungen an mancher Stelle gerechter werden kann. Hat man beispielsweise eine Marktplatzstrategie, so bringen die Lösungen von Oro, Spryker und Commercetools die Funktionalitäten dafür bereits mit, während man bei SAP auf eine externe Lösung wie Mirakl zurückgreifen muss. Das bedeutet eine Steigerung der Komplexität und der Kosten. Wer jetzt denkt, er kann seine Anforderungen eins zu eins mit den Reports mappen, wird leider enttäuscht. Man sollte sich seiner Anforderungen schon grob bewusst sein, was man allgemein erreichen möchte. Es empfiehlt sich daher, im Vorfeld die wichtigsten Rahmenbedingungen zu betrachten.

Eigene Rahmenbedingungen für eine Vorauswahl: (Auszug) 

  • Öko-System oder Best-of-Breed?
  • SaaS oder On-Premise?
  • Welche IT-Systeme (ERP, Middleware, PIM) habe ich im Haus? 
  • Wie ist mein E-Business organisatorisch aufgestellt?
  • Passt die Programmiersprache zu den Fähigkeiten meiner IT-Mitarbeiter?
  • Welche Ausrichtung hat mein E-Business - B2C, B2B oder D2C? 

Welche Eigenschaften der Software-Hersteller sollte man sich anschauen? (Auszug) 

  • Wo sitzt der Software-Hersteller?
  • Wie viele Mitarbeiter hat der Anbieter?
  • Wie sieht die Produkt-Roadmap aus?
  • Was ist die Strategie des Software-Herstellers und passt diese zu den Zielsetzungen des Unternehmens? 
  • Wo sitzen die Rollen wie Customer Success Manager, Support und Entwicklung? 
  • Wie viele Kunden hat das Unternehmen?
  • Gibt es Formate, wo sich Kunden miteinander austauschen können?

Diese Fragen werden von den Analysten-Häusern in den Reports nur teilweise beantwortet. Sie können sich aber sicher sein, dass genau diese Informationen mit abgefragt werden. Denn es macht einen Unterschied, ob ein Software-Hersteller 50, 500 oder gar 5.000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Bereiche Support und Produktentwicklung profitieren beispielsweise von mehr Mitarbeitern. So wird sichergestellt, das Anfragen zügig bearbeitet und gelöst werden können. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Sitz des Anbieters. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf Verträge. Auch kann es entscheidend sein, wo die unterschiedlichen Rollen sitzen und ob damit eine Zusammenarbeit auch über verschiedene Länder und Zeitzonen gewährleistet werden kann.
Weiter kann auch der Umgang des Anbieters mit seiner Roadmap einen Einfluss auf die Auswahl haben. Nur bei einem offenen Umgang mit der Roadmap können die eigenen Prozesse daran angepasst werden. 

Was bedeutet das für uns als Integrationsdienstleister? Es hilft natürlich, wenn unsere Partner Adobe, Salesforce, SAP und Commercetools im Leaders Quadrant gelistet sind. Auch wir können damit zeigen, dass wir auf die richtigen Pferde setzen. Trotzdem sollte man aber auch Spryker und Oro nicht vernachlässigen, die sich im Quadranten der Visionäre wiederfinden. Besonders gut lassen sich die Entwicklungen der Anbieter ablesen, wenn man sich die Berichte im zeitlichen Verlauf anschaut. Commercetools und Spryker haben es zum Beispiel geschafft, sich aus dem Quadranten der “Niche Players” zu “Visionaries” zu entwickeln. Neben den Diagrammen bieten die Reports viele Hintergrundinformationen, Vor- und Nachteile der Lösungen und detaillierte Erläuterungen zu bestimmten Funktionalitäten. Diese stellen immer eine Momentaufnahme dar, sind aber sehr hilfreich.

Fazit: 

Treffen Sie keine Entscheidung auf der alleinigen Basis von Analysten Reports. Nutzen Sie einen mehrstufigen Prozess, bei dem Sie mit ihren Anforderungen als Grundlage, zwei bis drei Lösungen vergleichen. Lassen Sie sich die Software nicht nur vorführen, sondern probieren Sie sie selber aus. Sprechen Sie mit anderen Kunden der Anbieter. Diese können Ihnen eine objektivere Einschätzung geben, da sie im täglichen Umgang mit dem System bereits Erfahrungen gesammelt haben. 

Wenn Sie sich näher mit dem Aufbau des Gartner Digital Commerce Reports befassen wollen, empfehle ich Ihnen den Artikel von Kelly Goetsch auf Linkedin.


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